Buchempfehlung

Hier der erste Vorschlag:

Susanne Kippenberger: Das rote Schaf der Familie. Jessica Mitford und ihre Schwestern. Hanser.

 

Für alle, denen der Name Mitford nichts sagt: Es handelt sich um eine englische Adelsfamilie mit sechs ungestümen Töchtern und einem Sohn, die zwischen 1904 und 1920 geboren werden.

Also eine Art „Downton Abbey“ in echt. In Deutschland ist die Familie ziemlich unbekannt, sie wird gerne mit den Manns verglichen, um eine ungefähre Vorstellung zu bekommen.

Am ehesten berühmt-berüchtigt ist Diana, Tochter Nr. 4, als Ehefrau des britischen Faschistenführers Sir Oswald Mosley, den sie in Berlin in Anwesenheit Hitlers heiratet.

Den hohen Bekanntheitsgrad der Familie in Großbritannien zeigt z.B. die Tatsache, daß J.K.Rowling, die Autorin der Harry Potter-Bücher ihrer Tochter den Namen Jessica gab.

In Alan Bennetts wunderbaren Buch „Die souveräne Leserin“, in dem sich die Queen in einen Bücherbus verirrt, leiht sie sich ein Buch von Nancy Mitford aus.

Die Mitford-Töchter bieten Alles, wonach die geneigte Leserschaft giert: Heirat in eine der reichsten Familien des Landes mit schneller Scheidung; glühende Hitler-Verehrung; Bestsellerautorinnen, Heirat mit einem Herzog; langjährige Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei usw., usw.

Das Ganze könnte man auch als Klatsch und Tratsch bezeichnen, ist aber weit entfernt von den Geschichten, die die meisten von uns ganz gerne im Wartezimmer oder beim Frisör lesen. Wenn Sie also nicht bange sind vor fast 550 Seiten, greifen Sie zu! Sie werden belohnt mit dem prallen Leben, aber mit Niveau, die Mitfords sind zwar zum Teil sehr speziell, aber immer mit Stil, wie sich das für die Upper Class gehört.

Die Hauptperson des vorliegende Buches, Jessica, Tochter Nr. 5, wird 1917 geboren. Sie verlebt eine unglückliche Kindheit, ihr größter Wunsch, in eine öffentliche Schule zu gehen, anstatt zuhause von der Mutter oder wechselnden Gouvernanten erzogen zu werden, geht nur für ein Jahr in Erfüllung.

 

Bereits mit 12 Jahren eröffnet sie bei der Bank ein „Weglaufkonto“.

1934, mit 17 Jahren wird sie in die Gesellschaft eingeführt, (man beachte das Photo nach S. 140) aber statt der erhofften großen Freiheit: weiterhin gähnende Langeweile. Auf der Suche nach Abwechslung beginnt sie, sich für Politik zu interessieren und stellt nach intensiver Lektüre fest, daß der Kommunismus für sie die einzig wahre Alternative ist. 1936 - inzwischen hat sie 50 Pfund auf ihrem Weglaufkonto - brennt sie mit ihrem Cousin Esmond Romilly, einem Neffen Churchills, nach Frankreich durch. Ziel ist Spanien, man will die Aufständigen im spanischen Bürgerkrieg unterstützen. Heiraten will das junge Paar natürlich auch, wobei sie übersehen, daß beide noch nicht volljährig sind und sich die Begeisterung ihrer Familien in Grenzen hält. Sogar Außenminister Anthony Eden versucht vergeblich, die beiden zur Rückkehr zu bewegen. 1937 wird dann doch geheiratet, beide Familien geben ihre Zustimmung. Außerdem ist Jessica schwanger und der Skandal schon groß genug. 1939 wandern Decca (Jessica) und Esmond nach America aus in der Hoffnung, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten eine Gesellschaftsordnung zu finden, in der jeder, unabhängig von Herkunft und Geld, seinem Weg machen kann.

Dort wird sie bis zu ihrem Tod 1996 leben. Sie wird ihren ersten Mann und zwei Kinder verlieren, als Kommunistin in der McCarthy-Ära überwacht und verfolgt werden und sich in der Bürgerrechtsbewegung engagieren. Sie wird Bestseller schreiben und sich bis an ihr Lebensende aktiv einmischen, wenn Minderheiten unterdrückt und verfolgt werden. Und bis zuletzt wird sie, immer unter den Augen der Öffentlichkeit, die Rolle der komischen Alten wie in einem ihrer Lieblingsfilme „Harold and Maude“ perfekt spielen. Nach ihrem Tod wird es auf ihren Wunsch eine großartige Feier mit 800 Gästen und „Pomp and Circumstance“ geben.

Falls Sie auf den Geschmack gekommen sind, hier noch ein paar weitere Buchtitel, die von Interesse sein könnten:

Alan Bennett: Die souveräne Leserin.

Nancy Mitford: Englische Liebschaften; Liebe unter kaltem Himmel.

Manfred Flügge: Das Jahrhundert der Manns.

Tilmann Lahme: Die Manns. (Dann können sie vergleichen, welche Familie „verrückter“ war.)

Selbstverständlich gibt es diese Bücher der Stadtbücherei Frankenthal.

 

Die folgenden Titel sind lieferbar, aber nicht im Bestand in der Stadtbücherei:

Jessica Mitford: Hunnen und Rebellen.

Nancy Mitford: Landpartie mit drei Damen.

Bücher von Deborah bzw. Diana Mitford gibt es nur in englischer Sprache.

 

Und dann gibt es noch die Möglichkeit, sich bei YouTube diverse Filme mit Jessica oder ihren Schwestern anzusehen.

 

Wenn Ihnen die Autorin gefallen hat:

Susanne Kippenberger: Kippenberger. Der Künstler und seine Familien.

 

Zum Schluss noch eine persönliche Bitte: Kaufen Sie Bücher im stationären Buchhandel!!!

 

Dorothee Merzhäuser